Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0)
Artikel Gesetze und Richtlinien
Mit der BITV 2.0 werden die Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung von Websites, Webanwendungen, mobilen Anwendungen, elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufen und grafischen Programmoberflächen – also jegliche IT-Lösungen - präzisiert. Sie gilt für die öffentliche Verwaltung des Bundes.
Die BITV 2.0 ist eine Verordnung und setzt den § 12 b des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) um. Sie wurde vom BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) erlassen und legt die technischen Standards zur barrierefreien Gestaltung und die dazugehörigen Fristen fest.
Ziele
Ziel der BITV 2.0 ist die Ermöglichung und Gewährleistung einer barrierefreien Gestaltung der IT-Lösungen öffentlicher Stellen des Bundes.
Laut § 3 der BITV 2.0 sind Angebote, Anwendungen und Dienste der Informationstechnik barrierefrei zu gestalten. Dies erfordert, dass sie wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sind. Gemäß der BITV 2.0 wird vermutet, dass die Angebote, Anwendungen und Dienste barrierefrei sind, wenn sie harmonisierten Normen oder Teilen dieser Normen entsprechen.
Anwendungsbereich (§ 2 BITV 2.0)
Die Verordnung gilt für:
- Webinhalte (Websites, Webanwendungen),
- mobile Anwendungen,
- elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe einschließlich der Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung und
- grafische Programmoberflächen,
die von den öffentlichen Stellen zur Nutzung bereitgestellt werden.
Ausgenommen sind:
- Reproduktionen von Stücken aus Kulturerbe-Sammlungen, die nicht vollständig barrierefrei zugänglich gemacht werden können, und
- Archive, die weder Inhalte enthalten, die für aktive Verwaltungsverfahren benötigt werden, noch nach dem 23. September 2019 aktualisiert oder überarbeitet wurden, sowie
- Inhalte von Websites und mobilen Anwendung von Rundfunkanstalten.
Anforderungen und anzuwendende Standards
BITV 2.0 nennt folgende Anforderungen an die barrierefreie IT:
- EN 301 549 als verbindlicher europäischer Standard (§ 3 Absatz 2 BITV 2.0)
- Stand der Technik (§ 3 Absatz 3 BITV 2.0)
- Höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit (§ 3 Absatz 4 BITV 2.0)
- Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache (§ 4 BITV 2.0)
Weitere Informationen zu den genannten Anforderungen an die barrierefreie IT:
1. Stand der Technik
Nach § 3 Absatz 2 BITV 2.0 besteht (nur) eine Vermutung, dass Websites und mobile Anwendungen barrierefrei sind, wenn die Anforderungen aus dem Standard EN 301 549 in seiner jeweils gültigen Fassung eingehalten werden (Beweislastumkehr).
Dementsprechend sieht § 3 Absatz 3 BITV 2.0 vor, dass Websites und mobile Anwendungen (ergänzend) nach dem Stand der Technik barrierefrei zu gestalten sind, soweit Nutzeranforderungen durch die einzuhaltenden europäischen Standards nicht abgedeckt sind.
Die folgenden DIN-ISO-Normen sind dabei einzuhalten:
- DIN EN ISO 9241 (Ergonomie der Mensch-System-Interaktion) ergänzt durch ISO 14915 (Software-Ergonomie für Multimedia-Benutzungsschnittstellen).
- DIN EN ISO 14289 (Barrierefreiheit von PDFs).
Beispiel für Stand der Technik bei Benutzereingabe: HTML 5 kann das Zahlenfeld für die Eingabe von Ziffern anstelle der virtuellen Tastatur einblenden. Die besseren Eingabemöglichkeiten von HTML 5 sollten daher genutzt werden.
2. Höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit
Nach § 3 Absatz 4 BITV 2.0 sollen öffentliche Stellen des Bundes bei der barrierefreien Gestaltung
- für zentrale Navigations- und Einstiegsangebote
sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, beispielsweise
- Formulare sowie
- die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen
ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit verwirklichen.
Wie lässt sich ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit verwirklichen?
Insbesondere für Startseiten (Home), Navigationsmöglichkeiten und Funktionen, die eine Interaktion ermöglichen, sollen nach technischer Möglichkeit auch die Erfolgskriterien der WCAG 2.1 mit der Konformitätsstufe AAA beachtet werden. Es muss gute Gründe geben, wenn diese Erfolgskriterien nicht eingehalten werden.
3. Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache
Nach § 4 BITV 2.0 sind auf der Startseite (Home) einer Website folgende Erläuterungen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache bereitzustellen:
- Informationen zu den wesentlichen Inhalten der Website
- Hinweise zur Navigation
- Informationen zum wesentlichen Inhalt der Erklärung zur Barrierefreiheit
- Hinweise auf weitere in dem Web-Auftritt vorhandene Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache (BITV 2.0, Anlage 2)
Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache gehören heutzutage zum Standard. Öffentliche Stellen sollten diese Vorgaben daher auch dann einhalten, wenn es hierzu keine ausdrückliche rechtliche Verpflichtung gibt.
Gleichzeitig gibt es keine Verpflichtung, alle Informationen eines Internetauftritts in Leichter Sprache und Gebärdensprache anzubieten.
4. Erklärung zur Barrierefreiheit
Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, für ihre Websites und mobilen Anwendungen jeweils eine detaillierte, klar verständliche und vollständige Erklärung zur Barrierefreiheit zu erstellen und auf ihrer Website bzw. im App-Store zu veröffentlichen. Das gilt auch für Web-Anwendungen, die im Sinne der BITV zu den Websites gezählt werden.
Eine genauere Beschreibung der Anforderungen an eine Erklärung zur Barrierefreiheit finden Sie unter Barrierefreie IT – Übergreifende Anforderungen Web & App.
Die BITV trat am 24.07.2002 in Kraft, ab 22.09.2011 in erneuerter Fassung als "BITV 2.0". In der letzten und aktuellen Fassung (weiterhin „BITV 2.0“) vom 25.05.2019 werden folgende Vorgaben berücksichtigt:
- die Vorgaben der EU-Richtlinie 2016/2102 „über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen“
- die Vorgaben des EU-Durchführungsbeschlusses 2018/1523 „zur Festlegung einer Mustererklärung zur Barrierefreiheit“
- die Vorgaben des EU-Durchführungsbeschlusses 2018/1524 „zur Festlegung einer Überwachungsmethodik und der Modalitäten für die Berichterstattung“
- Die Vorgaben des EU-Durchführungsbeschlusses 2018/2048 „über die harmonisierte Norm für Websites und mobile Anwendungen"
- die Vorgaben des EU-Durchführungsbeschlusses (EU) 2021/1339 „über die Änderung der harmonisierten Norm für Websites und mobile Anwendungen“
- Konkrete Anforderungen (erstmals) mit Verweis auf die Europäische Norm EN 301 549
Stand: 17.04.2024